Momentum Quarterly

/ 5. Oktober 2021

Momentum Quarterly ist eine vierteljährlich erscheinende, begutachtete („peer review“)  Zeitschrift, die sich Fragen des sozialen Fortschritts auf interdisziplinärer Basis widmet. Untenstehend finden Sie die aktuelle Ausgabe von Momentum Quarterly. Alle hier vorgestellten Artikel werden Open-Access, d.h. frei zugänglich im Internet, veröffentlicht. Weitere Informationen finden Sie unter www.momentum-quarterly.org. Wir freuen uns stets über neu eingereichte Beiträge (siehe dazu die Richtlinien für Beitragseinreichung) und über Kommentare zu bestehenden Beiträgen. Sie erreichen uns unter editors@momentum-quarterly.org.

Von Umwelt zu Corona: Der Schwerpunktwechsel in der Berichterstattung während der ersten Welle der Coronapandemie in Deutschland

Maximilian Krug, Paula Kuhn, Leonie Lauschner, Aylin Mercsak, Nora Schulte-Zweckel

Abstract:

Die Coronapandemie hat als globale Krise die Gesellschaft stark beeinflusst. Fraglich bleibt allerdings, ob sie in der medialen Berichterstattung ähnlich intensiv behandelt wird wie die langjährige Klimakrise oder sogar stärker als diese thematisiert wird. Diese Arbeit untersucht im Rahmen eines medienframebasierten Ansatzes den thematischen Wettstreit zwischen Corona und Umwelt während der ersten Welle der Coronapandemie in Deutschland. In diesem Zusammenhang fokussieren wir neben medienübergreifenden auch medienspezifische Framingprozesse und stellen Verbindungen zu politischen Praktiken her. Datengrundlage sind 15.038 Beiträge der Tageszeitungen FAZ, SZ und BILD und Nachrichtenformate auf Social-Media-Plattformen (Tagesschau, RTLaktuell, rbb24). Die Auswertung der Beiträge zeigt, dass die Berichterstattung von Corona das Thema Umwelt sowohl quantitativ als auch qualitativ verdrängt. Thematische Verdrängungsprozesse bergen die Gefahr einseitiger Berichterstattung und werden im Beitrag hinsichtlich ihrer gesellschaftspolitischen Implikationen diskutiert.

Schlagworte: Corona, Covid-19, Klimakrise, Medienframes, Agenda-Setting, Inhaltsanalyse

Handlungstheoretische Implikationen für Innovativität: Ein Konzept für schulische Bildung?

Claudia Scharf, Inga Gryl

Abstract:

Aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen erfordern eine Bildung, die Schüler:innen dazu befähigt, Gesellschaft mitzugestalten. Gleichzeitig ist, entgegen einer humanistischen Bildung zur Mündigkeit, schulische Bildung gezeichnet von neoliberalen Praktiken; sich äußernd in Effizienz- und Leistungsorientierung. Diesen Praktiken entgegnend, möchte das Konzept Innovativität eine schulische Befähigung zur gesellschaftlichen Mitgestaltung forcieren – durch eine Fokussierung auf Reflexivität, Kreativität und Umsetzungsfähigkeit, auf Innovationsprozesse und unter Einbeziehung von Überlegungen aus der theoretischen und praktischen Ethik. Um die Basis für eine didaktische Nutzbarmachung für einen  Ansatz legen zu können, der zu Handlung befähigen möchte, bedarf es jedoch einer handlungstheoretischen Fundierung von Innovativität. Der vorliegende Beitrag möchte diese mithilfe von Habermas’ Theorie des kommunikativen Handelns und Joas’ Kreativität des Handelns legen – Theorien, die zum einen die argumentative Aushandlung von Geltungsansprüchen im Diskurs und zum anderen die Dynamik von Gestaltungs- (respektive Innovations-)prozessen thematisieren.

Schlagworte: Innovativität, Theorie des kommunikativen Handelns, Kreativität des Handelns, Partizipation, Bildung

Langzeitpflege und -betreuung: Über Bedarfsgerechtigkeit und chancengerechten Zugang am Beispiel Österreich

Andrea E. Schmidt, Ruth Waitzberg, Miriam Blümel

Abstract:

Während im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit vielfach das Thema Kosten für Langzeitpflege und -betreuung (LTC) steht, wird dem Thema der innerstaatlichen, bedarfsgerechten Verteilung öffentlicher Mittel für LTC üblicherweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Vor dem Hintergrund eines internationalen Vergleichs werden zwei Kriterien der Bedarfsgerechtigkeit in Österreich in der LTC analysiert: regionale Anspruchsvoraussetzungen und faire Kriterien für die regionale Umverteilung. Die Analyse veranschaulicht, dass in Österreich insbesondere im Bezug auf die Verteilung der Mittel für die Erbringung professioneller Pflege- und Betreuungsdienste Verbesserungsbedarf besteht. Sinnvoll wäre daher die Entwicklung eines nachhaltigen Finanzierungssystems sowie einer koordinierten Gesamtsteuerung und einer klaren Zuordnung der Verantwortungen über die Gesamtkosten der LTC unter Einbeziehung der Pflegebedürftigen.

Schlagworte: Langzeitpflege, Equity, Verteilung, Chancengerechtigkeit, Finanzierung

CO2-Bepreisung und soziale Ungleichheit in Deutschland

Wolfgang Gründinger, Lena Bendlin, Felix Creutzig, Gregor Hagedorn, Claudia Kemfert, Bernhard Neumärker, Barbara Praetorius, Mario Tvrtković

Die Bekämpfung der Klimakrise kann mit Maßnahmen gegen Armut und soziale Ungleichheit Hand in Hand gehen. Für Deutschland zeigen viele gängige Konzepte, dass Klimaschutz und sozialer Ausgleich für Privathaushalte verbunden werden können, sodass gerade finanzschwache Haushalte in Summe netto finanziell profitieren können. Ein Beispiel ist die Bepreisung von CO2 und anderen Treibhausgasen, um eine Lenkungswirkung zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu entfalten. Diese belastet zwar die Verbraucher:innen, führt aber auch zu staatlichen Einnahmen. Werden die Einnahmen aus höheren CO2-Preisen benutzt, um eine Klimaprämie pro Kopf an alle Bürger:innen auszuzahlen, dann profitieren ärmere Menschen sogar, während die gewünschte Lenkungswirkung erhalten bleibt. Eine solche Pro-Kopf-Klimaprämie kann in mehreren Varianten umgesetzt werden. Ein Teil der Einnahmen oder die Umwidmung anderer politischer Maßnahmen könnte beispielsweise das Angebot klimaschonender Alternativen beschleunigen oder weitere soziale Flankierungen ermöglichen. Eine CO2-Bepreisung als Teil eines breiten Instrumentenmixes ist seit Langem intensiver Gegenstand der wissenschaftlichen Debatte, sozial ausgewogen gestaltbar und klimapolitisch überfällig.

Schlagworte: Klimakrise, Klimaprämie, Klimaschutz, Klimapolitik, CO2-Bepreisung