Momentum Quarterly ist eine vierteljährlich erscheinende, begutachtete („peer review“) Zeitschrift, die sich Fragen des sozialen Fortschritts auf interdisziplinärer Basis widmet. Untenstehend finden Sie die aktuelle Ausgabe von Momentum Quarterly. Alle hier vorgestellten Artikel werden Open-Access, d.h. frei zugänglich im Internet, veröffentlicht. Weitere Informationen finden Sie unter www.momentum-quarterly.org. Wir freuen uns stets über neu eingereichte Beiträge (siehe dazu die Richtlinien für Beitragseinreichung) und über Kommentare zu bestehenden Beiträgen. Sie erreichen uns unter editors@momentum-quarterly.org.
Wie die Qualität von Langzeitpflegediensten das Wohlbefinden von pflegenden Angehörigen beeinflusst
von Lisa Hanzl
Abstract:
In einem familienzentrierten Pflegesystem wie dem österreichischen ist das Wohlbefinden von pflegenden Angehörigen von zentraler Bedeutung, insbesondere in Zeiten der COVID-19-Pandemie. In diesem Beitrag analysiere ich, mit Hilfe eines Mixed-Methods-Ansatzes, den Zusammenhang zwischen der Qualität von Langzeitpflegedienstleistungen und dem Wohlbefinden von pflegenden Angehörigen in Österreich. Zunächst zeigt ein OLS-Modell anhand von Daten aus dem European Quality of Life Survey (EQLS) 2016, dass Personen, die die Qualität von Langzeitpflegedienstleistungen höher einschätzen, eine höhere Lebenszufriedenheit angeben, unabhängig von ihren Betreuungspflichten. Der wichtigste Erklärungsfaktor für das Wohlbefinden der Pflegenden ist die Inanspruchnahme solcher Pflegedienste. Die Regressionsanalyse bietet jedoch keine genaueren Einblicke darin, wie Wohlbefinden beeinflusst wird. Daher führe ich eine qualitative Analyse mittels eines Online-Fragebogens durch, an dem 20 pflegende Angehörige zwischen März und April 2020 teilnahmen. Der Fragebogen wurde anhand des Capabilities-Ansatzes erstellt und mit Hilfe thematischer Analyse ausgewertet. Die Hauptergebnisse zeigen, dass qualitativ niedrige Pflegedienstleistungen das Wohlbefinden vor allem aufgrund der Unregelmäßigkeit dieser Dienstleistungen, die den Tagesablauf stören, verringern. Qualitativ hochwertige Pflegedienstleistungen hingegen verbessern das Wohlbefinden, besonders durch die Möglichkeit Verantwortung zu teilen.
Schlagworte: Langzeitpflege; Pflegende Angehörige; Wohlbefinden; Mixed Methods
Mit linksautoritärem Kommunitarismus wieder zur Arbeiterpartei? Kontexte, Ideologeme und Fehlschlüsse eines aufkommenden rechtssozialdemokratischen Parteiprojekts am Beispiel der britischen Labour Party
von Armin Puller
In vielen sozialdemokratischen Parteien polarisieren sich gegenwärtig die politischen Strategien einer sozialliberalen Wertehaltung und eines linksautoritären Kommunitarismus. Der Beitrag widmet sich der zweiten Strategie am Beispiel der britischen Labour Party, wo diese eine eigenständige Strömung begründet, die zwischen 2010 und 2015 sowie seit dem Führungswechsel unter Keir Starmer einigen Einfluss gewinnen konnte. Sie basiert auf einer Zurückweisung von wirtschafts- sowie gesellschaftspolitischem Liberalismus und strebt die Orientierung auf Arbeiter:innenmilieus vermittels sozialkonservativer Positionen und insbesondere Migrationskritik an. Nach einer Darstellung der Kontexte dieser Strategie innerhalb der Labour Party zeichnet der zweite Teil den Diskurs des linksautoritären Kommunitarismus in seinen politischen Positionen wie ideologischen Bezugspunkten sowie seinen Bemühungen um ein neues Narrativ über die Geschichte der Sozialdemokratie nach. In einem dritten Teil werden analytische Fehlschlüsse und Fallstricke der Strategie aufgezeigt, die in eine retrotopisch konstruierte und sozialkonservativ bestimmte Gemeinwohlkonzeption münden, die für eine Allianz der Linken und eine Einheit der Arbeiter:innenklasse hinderliche Effekte erzeugt und sich an einer Kulturalisierung und Entpolitisierung sozialer Missstände beteiligt.
Schlagworte: Sozialdemokratie; Arbeiterpartei; Labour Party; linksautoritärer Kommunitarismus; Linksautoritarismus; Arbeiterklasse
Von Ökonomiekritik zum Primat sozialer Kämpfe in modernen Planungsdebatten: Eine Kritik ausgewählter technikzentrierter Rezeptionen der Sozialistischen Kalkulationsdebatte
von Potjeh Stojanović
Aktuell gewinnt die Sozialistische Kalkulationsdebatte unter dem Eindruck technologischen Fortschritts an Relevanz, dabei werden aber in der Rezeption weitgehend Erkenntnisse feministischer und klassenbewusster Ökonomiekritik verkannt. Insbesondere Morozovs Entwurf eines Digitalen Sozialismus durch nicht-marktliche Institutionen, welchen er aus der Debatte ableitet, wird hier kritisiert. Dieser wird anhand einer kritischen Rezeption der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie als marktförmig im neoklassischen Sinne offenbart. Dabei gehen die gängigen Annahmen des rationalen ökonomischen Subjekts stillschweigend in seinen Entwurf ein. Ebenso negiert sein Fokus auf Preis und Information die (re-)produktive Dimension der Ökonomie. Dies hat zur Folge, dass die von ihm skizzierte Technik-Utopie Gefahr läuft, ähnliche Probleme wie ein generalisiertes Marktsystem zu reproduzieren. Diesem, die Technik priorisierenden Verständnis von Planung wird die Priorisierung kollektiver Planung anhand der Praxis der Versammlung in der Feministischen Streikbewegung entgegengesetzt und es wird versucht aufzuzeigen, inwiefern sich emanzipatorische Praxis und Theorie wechselseitig beeinflussen können.
Schlagworte: Sozialistische Kalkulationsdebatte; Digitaler Sozialismus; Allgemeine Gleichgewichtstheorie; Kritische Politische Ökonomie;
Internationale Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen während der jüngeren Globalisierung 1990-2019
von Nikolaus Kowall
Die globale interpersonelle Einkommensverteilung illustriert die Ungleichheit zwischen Individuen auf der Welt. Weil Länderspezifika dabei übersehen werden, ist ein nationaler Analyserahmen eine nützliche Ergänzung. Während der jüngeren Globalisierung von 1990 bis 2019 kam es zwischen Ländern und Bevölkerungen zu Einkommenskonvergenz. Sowohl der internationale als auch der nach Bevölkerung gewichtete Gini deuten darauf hin, dass diese Konvergenz rund um die Jahrtausendwende eingesetzt hat. Setzt man das BIP pro Kopf der USA als Standard, konzentriert sich der Konvergenzprozess auf die neuen EU-Mitgliedsstaaten sowie auf Süd- und Ostasien. Das Gros der traditionellen Industrieländer fiel gegenüber den USA beim BIP pro Kopf zurück. Die Mehrheit der Staaten, die von 1990 bis 2019 Konvergenz verzeichnete, wies zuletzt eine im Vergleich zu den USA egalitärere Einkommensverteilung auf. Dies deutet darauf hin, dass die Zuwächse beim BIP pro Kopf in den neuen EU-Mitgliedsstaaten sowie in Süd- und Ostasien stärker in der Mitte der Gesellschaft spürbar wurden als in den USA.
Schlagworte: Ungleichheit; internationale Einkommensverteilung; Konvergenz