MomentumQuarterly

/ 3. Juli 2018

Momentum Quarterly ist eine vierteljährlich erscheinende, referierte Zeitschrift, die sich Fragen des sozialen Fortschritts auf interdisziplinärer Basis widmet. Untenstehend finden Sie die aktuelle Ausgabe von Momentum Quarterly. Alle hier vorgestellten Artikel werden Open-Access, d.h. frei zugänglich im Internet, veröffentlicht. Weitere Informationen zu diesem Projekt finden Sie unter www.momentum-quarterly.org. Wir freuen uns stets über neu eingereichte Beiträge und Kommentare zu bestehenden Beiträgen. Sie erreichen uns unter editors@momentum-quarterly.org.

 

Wachstum? Wohlstand und Lebensqualität! Möglichkeiten und Hürden der Verankerung sozial und ökologisch nachhaltiger Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik in Österreich

Markus Griesser, Ulrich Brand

Abstract:

In jüngster Zeit wurde auf internationaler Ebene ebenso wie in verschiedenen Ländern eine Vielzahl alternativer Indikatoren gesellschaftlichen Wohlstands und Fortschritts entwickelt. Den Ausgangspunkt bildete eine Kritik des Bruttoinlandsprodukts (BIP) als vermeintlich aussagekräftiger Wohlstandsindikator. Alternative Indikatoren sollen dabei Fortschritte und Probleme der Realisierung sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit sowie unterschiedliche Dimensionen von Lebensqualität abbilden. Entsprechend können sie als Einsatzpunkte für ein sozial-ökologisch erweitertes Wohlstandsverständnis bzw. für eine lebensqualitäts- und wohlstandsorientierte Politik betrachtet werden, mit der die Orientierung an Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit infrage gestellt werden kann. Doch obschon zahlreiche (Kollektiv-)Akteure über solche Kennzahlen verfügen, ist ihr politischer Impact bislang beschränkt. Mittels einer interpretativen Policy-Analyse geht es in diesem Beitrag um strategische Möglichkeiten einer besseren institutionellen Verankerung sozial und ökologisch nachhaltiger Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik in Österreich.

Schlagworte: Wohlstandsindikatoren; Kritik am BIP; alternative Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik; lebensqualitäts- und wohlstandsorientierte Politik; interpretative Policy-Analyse

 

In 10 Jahren Nullemissionen? Widersprüche im Paris-Abkommen und ihre Auflösung. Zugleich zu Vorsorgeprinzip und überschätzten Klimaszenarien.

Felix Ekardt, Anika Zorn, Jutta Wieding

Abstract:

Das Pariser Klima-Abkommen vom Dezember 2015 erfährt öffentlich viel Kritik. Dabei wird seine äußerst ambitionierte Zielsetzung übersehen, die die globale Erwärmung verbindlich auf 1,5–1,8 Grad gegenüber vorindustriellem Niveau begrenzt. Der Beitrag zeigt in der Schnittmenge offener naturwissenschaftlicher Prognosefragen mit dem rechtlichen Vorsorgeprinzip auf, dass damit ein Weg zu globalen Nullemissionen innerhalb kürzerer Zeit als meist angenommen rechtsverbindlich vorgeschrieben ist. Ferner wird deutlich, dass die Politik sogar auf eine Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze ausgerichtet werden muss – und dass rechtlich gesehen bei Existenzfragen wie dem Klimawandel nur eine Politik, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die Temperaturgrenze einhält, zulässig ist. Das stellt auch die vermeintlichen Klimavorreiter EU und Deutschland vor große Herausforderungen. Nach dem Gesagten müssen Deutschland und die EU im Rahmen der regelmäßigen Anpassung der eigenen Reduktionszusagen gemäß dem Paris-Abkommen ihre Verpflichtungen rasch und drastisch nachschärfen.

Schlagworte: Paris-Abkommen; Klimawandel; Klimaschutz; Menschenrechte; Vorsorgeprinzip; Klimaszenarien

 

Prepaid-Stromzähler: Erfahrungen aus der NutzerInnen-Perspektive von Haushalten in Deutschland

Oliver Wagner, Julia Wiegand

Abstract:

Energiearmut ist ein Phänomen, welches in Deutschland, wie auch in anderen Ländern des Globalen Nordens, in den letzten Jahren immer häufiger beobachtet werden kann. Zunehmend werden Prepaidzähler (engl. Prepayment Meter) von Energieunternehmen als Instrument eingesetzt, um KundInnen mit Zahlungsrückständen bzw. häufig auftretenden Zahlungsschwierigkeiten zu managen. Das Phänomen der Energiearmut in Deutschland ist relativ jung und damit die Anzahl der Prepaidzähler noch niedrig. Somit sind Erfahrungen in diesem Zusammenhang in Deutschland rar. Nachfolgend werden die Ergebnisse der ersten wissenschaftlichen Befragung von Haushalten mit Prepaidzählern in Deutschland (im Bundesland Nordrhein-Westfalen) analysiert. Dabei zeigt sich, dass Prepaid-Systeme für Strom für die betroffenen Haushalte mit erheblichen Alltagsveränderungen verbunden sind. Vorteilhaft ist, dass die Haushalte trotz bestehender Strom-Schulden weiterhin mit Energie versorgt werden können, dass sie über eine bessere Kostenkontrolle verfügen und dass sie Stromsparpotenziale erschließen können. Zu den wesentlichen Nachteilen zählen die hohen Kosten, der Aufwand für das Aufladen des Guthabens und dass Versorgungsunterbrechungen dennoch stattfinden, jedoch nicht erfasst werden. Insgesamt ergab die Studie eine hohe Zufriedenheit der Haushalte mit Prepaidzähler, es besteht jedoch Regulierungsbedarf seitens des Gesetzgebers in Deutschland.

Schlagworte: Prepaidzähler; Energiearmut; Armut; Stromschulden; Stromsperre; Smart Meter; Ordnungsrahmen

 

Reibungsgewinne. Identitäten im Inner[Außer]Halb

Angelika Frühwirth, Ana Mijić

Abstract:

Wer bleiben möchte, hat sich anzupassen; wer ansprechen möchte, hat spezifischen Idealen zu entsprechen; wer leben möchte, hat zu funktionieren. Ausgehend von diesen, in den Werken dreier Wiener Autorinnen mit „Jugoslawien“-Bezug identifizierten „Gesetzen“ einer erstarrten Wirklichkeit, widmet sich dieser Beitrag der Frage, wie Selbstbilder in verdinglichten Systemen entworfen werden und wie viel Platz dabei individuellen Freiheiten noch vorbehalten bleibt. Der literaturwissenschaftlichen Analyse dieser Werke wird die hermeneutische Interpretation von Gesprächen mit Menschen mit Migrationserfahrung dialogisch gegenüber gestellt. Dabei zeigen sich wesentliche Analogien zwischen dem Umgang der RomanprotagonistInnen mit einer erstarrten Wirklichkeit und den in den Interviews auftauchenden Strategien zum Entwurf von diasporischen Identitäten: Assimilation, Überkompensation, Erstarrung oder Resignation lassen sich sowohl aus den Romanen als auch aus den Interviews rekonstruieren. Hier und dort manifestieren sich aber auch widerständige Momente. Durch die gezielte Erzeugung von Reibung bemächtigen sich die im Inner[Außer]Halb Positionierten wieder der Kontrolle über ihre eigene Identität.

Schlagworte: Identität(en); Fremdheit/Entfremdung; Reibung/Konflikt