MomentumQuarterly

/ 3. Januar 2020

Momentum Quarterly ist eine vierteljährlich erscheinende, begutachtete („peer review“)  Zeitschrift, die sich Fragen des sozialen Fortschritts auf interdisziplinärer Basis widmet. Untenstehend finden Sie die aktuelle Ausgabe von Momentum Quarterly. Alle hier vorgestellten Artikel werden Open-Access, d.h. frei zugänglich im Internet, veröffentlicht. Weitere Informationen finden Sie unter www.momentum-quarterly.org. Wir freuen uns stets über neu eingereichte Beiträge (siehe dazu die Richtlinien für Beitragseinreichung) und über Kommentare zu bestehenden Beiträgen. Sie erreichen uns unter editors@momentum-quarterly.org.

 

Wie kann günstiger Wohnraum definiert werden und was sind sinnvolle Maßnahmen, um diesen zu erweitern?

Johann Bacher, Dennis Tamesberger

Abstract:

Der vorliegende Beitrag untersucht, wie günstiger Wohnraum definiert werden kann, wie hoch die Anzahl an günstigen Mietwohnungen in Österreich ist und welche Einflussfaktoren es gibt. Durchgeführt wird eine Sekundärdatenanalyse des Mikrozensus des Jahres 2017. Als günstig wurden dabei in Anlehnung an das Konzept des Kantons Luzern Wohnungen bezeichnet, deren Hauptmiete weniger als 70 % der Durchschnittsmiete in Österreich beträgt. In Bezug auf die ausgewählten Haushalte mit einem Nettoeinkommen knapp über der Einkommensgrenze der Wohnbeihilfe resultieren Mietkostenbelastungen von 21 % bis 25,7 %. Von einem sozial-politischen Standpunkt aus betrachtet stellt die 70 %-Schwelle eine sehr ambitionierte Zielsetzung dar. In Österreich erfüllen 398.000 Hauptmietwohnungen bzw. 24 % aller Hauptmietwohnungen dieses Kriterium. Allerdings wurden von diesen Wohnungen nur 70.400 in den letzten drei Jahren vermietet. Als wichtige Strategie erscheint daher nicht nur mehr Wohnungen zu bauen, sondern vor allem den Anteil an günstigen Hauptmietwohnungen bei Neubauten bzw. Neuvermietungen zu erhöhen.

Schlagworte: leistbares Wohnen; günstiges Wohnen; Mikrozensus; Mietpreise; Sozialpolitik

 

Chili und Ribiselkuchen: Gemeinschaftsgärten im Wiener Gemeindebau als gemeinschaftliches Außenhaus

Rita Mayrhofer

Abstract:

In Wien sind in den letzten zehn Jahren über 70 Gemeinschaftsgärten entstanden. Bislang waren es vor allem Menschen mit überdurchschnittlicher Bildung und kreativen Berufen (creative class), die sich ihren Traum vom gemeinschaftlichen Gärtnern erfüllen konnten. Menschen mit geringem Bildungsgrad und sozial benachteiligte Gruppen sind in den Wiener Gemeinschaftsgärten hingegen bislang kaum vertreten. Diesem class bias entgegenzuwirken und gleichzeitig ungenutzte Flächenpotenziale zu aktivieren, waren die Ziele eines Pilotprojekts, das in den Jahren 2009 bis 2011 im Wiener Gemeindebau umgesetzt wurde. Basierend auf den Daten einer Aktionsforschung sowie aktueller empirischer Erhebungen geht der Text auf die Rahmenbedingungen, den partizipativen Planungsprozess und die Wirkungen eines selbstbestimmten Gemeinschaftsgartens im sozialen Wohnbau ein. Mit der Transformation des funktionellen Abstandsgrüns in ein gemeinschaftliches Außenhaus (Hülbusch 1978) entstanden neue „Handlungs-Freiräume“ im Sinne einer vita activa (Arendt 1969). Das Beispiel zeigt, dass soziale Inklusion durch Gemeinschaftsgärten im sozialen Wohnbau möglich ist. Besonders wichtig sind dabei freiraumplanerische Organisationsprinzipen und ein auf Selbstbestimmung abzielender Beteiligungsprozess.

Schlagworte: Community Gardening; Sozialer Wohnbau; Wien; Außenhaus; Vita activa

 

Ideas have Consequences: Eine vergleichende Analyse zur transformativen Rolle von Ideen

Christian Grimm

Abstract:

In diesem Beitrag wird die gesellschaftlich formende Rolle von Ideen am Beispiel von Friedrich August Hayeks Hegemonieansatz zur Durchsetzung einer neoliberal geprägten Weltanschauung thematisiert. In diesem Zusammenhang soll aufgezeigt werden, dass Hayek nicht der Einzige war, der sich diesem Thema zuwandte und an die Macht der Ideen glaubte. Dies rückt die Frage nach verwandten theoretischen Ansätzen ins Zentrum des Interesses. Konkret werden mit Ludwig Mises, John M. Keynes, Walter Lippmann und Antonio Gramsci vier Autoren aufgegriffen, deren Gedanken zur transformativen Rolle von Ideen hinsichtlich des Überschneidungsgrads mit dem Hayekschen Denken überprüft werden. Im Ergebnis wird ersichtlich, dass die genannten Autoren der Macht der Ideen einen hohen Stellenwert beimessen. So entwickelten diese Personen sehr ähnliche Theorien intellektueller Vorherrschaft, obgleich sie zum Teil sehr unterschiedlichen politischen Spektren entstammen.

Schlagworte: Hegemoniegewinnung; Neoliberalismus; Hayek; Macht der Ideen

 

The classification of inequalities: Tests, exams and classes of refugees

Katharina Federlein, Konstantin Hondros

Abstract:

Der Beitrag untersucht aus hermeneutisch-wissenssoziologischer Perspektive, inwiefern Klasse und Klassifizierung im Umgang mit und unter Geflüchteten selbst eine Rolle spielen. Uns interessiert, ob und wie Ungleichheiten in diesem sensiblen Bereich wirksam werden und wir nutzen dafür einen an Bourdieus Konzeption angelehnten breiten Klassenbegriff. Klassifizierung verstehen wir als Vorgang, der zur Bildung von Klassen führt. Durch den Vergleich von bürokratisch-wissenschaftlichen Dokumenten, die Hinweise auf einen politischen Diskurs geben, mit teilnehmenden Beobachtungen aus Integrationskursen verknüpfen wir in der Literatur distanzierte Blickwinkel. Die im foucaultschen Konzept der Gouvernementalität angelegte Unterscheidung zwischen Selbst- und Fremdführung erlaubt uns Ungleichheiten sowohl im Umgang mit als auch unter Geflüchteten selbst theoretisch einzufangen. Wir beobachten, dass Tests und Prüfungen, die den bürokratischen und wissenschaftlichen Diskurs bestimmen, auch in Selbstführung bestimmend sind, und entdecken die Möglichkeit subversiver Selbstführung durch Praktiken wie ‚Feste feiern‘ oder ‚schummeln‘.

Schlagworte: Geflüchtete; Klassifizierung; Klasse; Tests; Prüfungen; Diskurs