MomentumQuarterly

/ 14. Juli 2020

Momentum Quarterly ist eine vierteljährlich erscheinende, begutachtete („peer review“) Zeitschrift, die sich Fragen des sozialen Fortschritts auf interdisziplinärer Basis widmet. Untenstehend finden Sie die aktuelle Ausgabe von Momentum Quarterly. Alle hier vorgestellten Artikel werden Open-Access, d.h. frei zugänglich im Internet, veröffentlicht. Weitere Informationen finden Sie unter www.momentum-quarterly.org. Wir freuen uns stets über neu eingereichte Beiträge (siehe dazu die Richtlinien für Beitragseinreichung) und über Kommentare zu bestehenden Beiträgen. Sie erreichen uns unter editors@momentum-quarterly.org.

Digitale Atomisierung oder neue Arbeitskämpfe? Widerständige Solidaritätskulturen in der plattformvermittelten Kurierarbeit

Heiner Heiland, Simon Schaupp

Abstract:

Die plattformvermittelte Kurierarbeit ist ein Vorläufer und Testfeld für neue Formen der digitalen Arbeitskoordination und -kontrolle und damit auch für neue Formen des Arbeitskampfes. Wie der Beitrag zeigt, dienen die organisationalen und technischen Infrastrukturen dieser Plattformen sowohl zu Kontrollzwecken als auch als Mittel der widerständigen Organisierung der Kurier_innen. These des Artikels ist, dass Digitalisierung nicht allein zur Kontrolle und Atomisierung der Arbeitenden Anwendung findet, sondern von letzteren sowohl zur Schaffung von Solidaritätskulturen als auch zum aktiven Widerstand genutzt wird. Diese Argumentation gründet auf zwei mehrmonatigen ethnographischen Studien, 46 qualitativen Interviews mit verschiedenen Akteur_innen der digitalisierten Delivery-Branche und einer quantitativen Online-Befragung der Kurier_innen.

Schlagworte: Digitalisierung, Plattformarbeit, Kontrolle der Arbeit, Solidarität

Soziale Innovation aus der Perspektive einer poststrukturalistischen Praxistheorie Kritik der parallelen Anwendung von akteur- bzw. praxistheoretischem Paradigma

Roland Brandauer

Abstract:

Die Dortmunder Forschungsgruppe, vertreten durch namhafte Soziolog*innen wie Howaldt, Jacobsen, Kopp und Schwarz, verfolgt das vielversprechende Projekt, Soziale Innovation durch eine (poststrukturalistische) Praxistheorie zu fundieren, um damit nicht zuletzt auch den Stellenwert der Sozialen Innovation gegenüber ökonomischer und technischer Innovation zu erhöhen. Parallel zum Paradigma einer poststrukturalistischen Praxistheorie wird dabei allerdings zugleich ein akteurtheoretisches Paradigma zum Einsatz gebracht. Diese beiden Ansätze erweisen sich jedoch in einem analytischen Theorienvergleich in Bezug auf die für eine Definition von Sozialer Innovation zentralen Begriffe von Subjekt und Intention als widersprüchlich und stark divergierend. In dieser Arbeit wird die These vertreten, dass zwar in einer multiparadigmatischen Auffassung von Wissenschaft einander widersprechende Paradigmen für eine bestimmte Zeit parallel existieren können, dass die Anwendung von sich widersprechenden Paradigmen innerhalb eines Forschungsprogramms jedoch auf logischer, inhaltlicher und wissenschaftstheoretischer Ebene unhaltbar ist.

Schlagworte: Multiparadigmatische Wissenschaft, poststrukturalistische Praxistheorie, akteurtheoretisches Paradigma, Soziale Innovation

Vom „Global Village“ zur „Blackbox Society“? Digitale Identitäten und politische Kommunikation in Zeiten des Überwachungskapitalismus

Stefan Strauß

Abstract:

Digitalisierung und soziale Medien haben politische (Massen-)Kommunikation stark verändert. Der Cambridge-Analytica-Datenskandal verdeutlicht die Ambivalenzen zwischen politischem Empowerment und Polarisierung. Probleme wie Filterblasen, „Fake News“, Desinformation etc. belasten zudem freie politische Meinungsbildung und Demokratie enorm. Dieser Artikel untersucht, wie soziale Medien politische Kommunikation verändert haben und welche Rolle die Methoden des Überwachungskapitalismus dabei spielen. Im Lichte des Strukturwandels der Öffentlichkeit wird diskutiert, wie die Dynamiken sozialer Medien und digitale Massenkommunikation funktionieren. Ausgehend vom Fall Cambridge Analytica wird gezeigt, wie mit digitalen Identifizierungspraktiken, Microtargeting und modernen Marketingmethoden politische Inhalte verbreitet und Meinungen beeinflusst werden und inwieweit es Schnittmengen mit Propaganda gibt. Schließlich argumentiert der Beitrag für eine stärkere Regulierung politischer Onlinekommunikation und digitalen Marketings für politische Zwecke, um Populismus entgegenzuwirken.

Schlagworte: Social-Media-Politik, politische Massenkommunikation, digitales Marketing, digitale Propaganda, Überwachungskapitalismus

Eine Jobgarantie für Österreichs Langzeitarbeitslose

Oliver Picek

Abstract:

Seit einigen Jahren sind staatliche Programme zur direkten Beschäftigung langzeitarbeitsloser Menschen erneut Teil der wirtschaftspolitischen Agenda vieler europäischer Regierungen. Bisher erreichen diese bei Weitem nicht alle arbeitslosen Menschen, die Bedarf nach einem öffentlich geförderten Arbeitsplatz haben. Für Österreich schlage ich eine Weiterentwicklung der ehemaligen Aktion 20.000 in eine umfassendere Jobgarantie für Österreichs Langzeitarbeitslose vor. Durch sie erhält jede/r langzeitarbeitslose Bürger/in ein Angebot eines garantierten und staatlich finanzierten Arbeitsplatzes. Selbst bei (unrealistisch) maximaler Auslastung der Jobgarantie mit 150.000 Plätzen sind je nach durchschnittlichem Bruttogehalt 0,68 bis 1,34 Mrd. Euro an Finanzierung seitens des Bundesbudgets notwendig. Das entspricht 0,19 bis 0,36 Prozent des österreichischen Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2017.

Schlagworte: Arbeitslosigkeit, Langzeitarbeitslosigkeit, Jobgarantie, Recht auf Arbeit, Aktion 20.000, Arbeitsplatzgarantie