Call for Papers

Tagung „Eigentum, Medien, Öffentlichkeit“

/ 15. Dezember 2020

Informationen zur Tagung

Die Tagung wird veranstaltet vom Netzwerk Kritische Kommunikationswissenschaft in Kooperation mit dem Institut für Heterodoxe Ökonomie der Wirtschaftsuniversität Wien. Sie wird am Donnerstag, den 18. November 2021 um ca. 18 Uhr beginnen. Für den Donnerstag ist eine öffentliche Abendveranstaltung geplant. Der wissenschaftliche Teil der Tagung endet voraussichtlich Samstagmittag, dem 20. November 2021. Im Anschluss sind weitere Aktivitäten wie Stadtspaziergang und Abschlussparty geplant, zu denen alle Tagungsteilnehmer*innen herzlich eingeladen sind. Angaben zum Veranstaltungsort, Unterkünften, etc. werden rechtzeitig in der Einladung und auf der Website des Netzwerks Kritische Kommunikationswissenschaft bekannt gegeben.

Interessierte, für die die Anreise oder die Organisation einer Unterkunft in Wien zu große finanzielle Hürden darstellen, können sich gerne via E-Mail an das Organisationsteam wenden. Uns ist es wichtig, auch finanziell weniger gut gestellten Personenkreisen den Zugang zu unserer Tagung zu ermöglichen. Wir möchten daher unkompliziert Unterstützung anbieten, bspw. mit der (Teil-)Übernahme von Fahrtkosten oder der Vermittlung von Unterkünften. Einfach E-Mail an info@krikowi.net und wir kümmern uns.

Flyer für den Call for Papers

Call for Papers als PDF

Einleitung
Eigentum ist eine Institution, die Verfügungsmacht und Exklusionsrechte in Bezug auf Sachen regelt. In kapitalistischen Gesellschaften wird diese Institution tendenziell auf das Privateigentum hin verengt (Macpherson 1978). Spätestens mit dem Zusammenbruch des Staatssozialismus nach 1989 ist das Privateigentum zur bestimmenden Institution der marktwirtschaftlich geprägten, globalisierten und finanzialisierten Gegenwart, ja zum „Herz des sozialen Lebens der Menschheit“ (Badiou 2017: 11) geworden. Während die liberale Philosophie das Privateigentum mit der Sicherung von Freiheitsrechten und materieller Selbstbestimmung für das Individuum begründet, zementiert eben diese Garantie in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem auch eine Herrschaftsordnung, die nicht selten durch gewaltsame An- oder Enteignung hergestellt wurde und mit massiver wirtschaftlicher und politischer Ungleichheit, Entfremdung, Ausbeutung und Freiheitsverlust für weite Teile der Bevölkerung einhergeht.

Trotz der zentralen Stellung der Basisinstitution Eigentum in kapitalistischen Gesellschaften, scheint die Kommunikations- und Medienwissenschaft diese jedoch aus dem Blick verloren zu haben. Während sozialwissenschaftliche Klassiker wie Karl Marx, Émile Durkheim und Max Weber noch grundsätzliches Interesse am Eigentum hatten, wird es in den neueren Diskussionen (außerhalb der Kritischen Politischen Ökonomie der Medien und der Kommunikation, exemplarisch Knoche 2001, McChesney 2000) kaum noch grundsätzlich thematisiert, sieht man von einiger Forschung zu Einzelphänomenen wie Medienkonzentration (z. B. Röper 2018, zusammenfassend Ferschli, Grabner und Theine 2019) oder dem Einfluss von Medieneigentümer*innen auf Medieninhalte (etwa Leidinger 2003, Kemner et al. 2008, Dybski et al. 2010, Löblich 2011) ab.

Das Netzwerk Kritische Kommunikationswissenschaft möchte dieser „Eigentumsvergessenheit“ des Faches entgegenwirken und lädt daher zu einer Konferenz ein, auf der Eigentum in Hinblick auf Medien und Öffentlichkeit thematisiert werden soll.

Dringend erscheint dies vor dem Hintergrund der sozial-ökologischen Herausforderungen der Weltgesellschaft, aber auch des digitalen Strukturwandels der Öffentlichkeit und neuer Dynamiken der Wissens-, Informations- und Datenökonomie, die bestehende Eigentumsordnungen herausfordern. Alternative Entwürfe von öffentlichen Medien, Kommunikationsinfrastrukturen, Gemeineigentum, geteilte Nutzung und Open Access gewinnen auch im Zusammenhang einer Finanzierungskrise des Journalismus an Bedeutung.

Themenfelder
Mögliche Themenfelder, wie etwa die Repräsentation des Eigentums in den Medien, konzentriertes und ungleich verteiltes Eigentum an Medien und Medientechnik, subjektivierende Effekte des Medieneigentums und Effekte auf die Formierung von Öffentlichkeiten und Medieninhalte, und die folgenden exemplarischen Fragestellungen können dabei theoretisch und methodisch vielfältig bearbeitet werden:

  • Welche Einflüsse haben Medieneigentümer*innen und Medien-Besitzverhältnisse auf journalistische Berichterstattung? Wie kann man diese Einflüsse empirisch-methodisch dingfest machen?
  • Welche Einflüsse haben Medieneigentümer*innen und Medien-Besitzverhältnisse auf die Repräsentanz von Minderheiten und emanzipatorischen Bewegungen?
  • Wie sind Eigentum, Eigentumsordnungen, (Super-)Reichtum und Ungleichheiten in der Vermögensverteilung medial repräsentiert? Welche Medien berichten wie und warum (nicht) darüber? In welcher Weise wird Reichtum und Armut mit anderen Formen der Ungleichheit (race, gender, ability, usw.) verknüpft?
  • Wie können Medien zur Sichtbarkeit und Politisierung von ungleicher Verteilung von (Medien-)Eigentum beitragen?
  • Welche Personen und Organisationen betreiben hinsichtlich eigentumsbezogener Themen Agenda Setting oder Agenda Cutting? Wer hat nachweislich Interesse daran, Eigentums- und Ungleichheitsthemen in die Medien zu bringen (etwa die NGO Oxfam mit ihren Studien) oder sie aus den Medien herauszuhalten, und wie gestalten sich die diesbezüglichen Kämpfe und „Frame-Contests“ um die öffentliche Meinung?
  • Welche Probleme ergeben sich durch die ungleiche Verteilung von Eigentum für die (z. B. klassenspezifische) Medienrezeption (z. B. hinsichtlich Formate, Genres, Inhalte, Boulevardisierung)?
  • Welche Lehren können aus den bisherigen Kämpfen um „innere Pressefreiheit“, also um die Autonomie von Redaktionen von den Eigentümer*innen ihrer Verlage und Sender bzw. den Geschäftsführungen ihrer öffentlich-rechtlichen Anstalten gezogen werden? Welche Herausforderungen stellen sich hier für Mediengewerkschaften?
  • Inwiefern muss im Zeitalter digitaler Netzwerkmedien die Art und Weise, Konzentration an Medieneigentum und Meinungsmacht von Medieneigentümer*innen empirisch zu messen, verändert werden? Wie können bzw. müssen Eigentümer*innen von Plattformen oder die Reichweite von YouTube-Kanälen oder Instagram-Accounts in solche Berechnungen integriert werden?
  • Wem gehören Telekommunikations- und Informationsinfrastrukturen (Server, Kabel, Satelliten etc.), und wer erhält daraus welche Renteneinkünfte? Welche Alternativen sind möglich?
  • Können Daten Eigentum sein? Wer ist Eigentümer*in welcher Daten? Wie vollzieht sich kapitalistische Landnahme im digitalen Raum in Bezug auf Daten, und welche Alternativen (z. B. öffentlich-rechtliche oder genossenschaftliche) sind denkbar oder in Erprobung?
  • Wie ist aus einer Perspektive kapitalistischer Landnahme bzw. Propertisierung des Informationsraums das Thema Netzneutralität zu sehen?
  • Wem gehören Plattform-Algorithmen, wem sollten sie gehören? Welche Auswirkungen haben Eigentumsverhältnisse auf die Repräsentanz von Minderheiten, emanzipatorischen Bewegungen und intersektionalen Themen (class, race, gender, ability, usw.) im Code?
  • Welche Potenziale und Probleme bieten genossenschaftliche Alternativen zum Privat- oder Staatsbesitz von Medien, wie sie etwa seit Jahrzehnten im Print-Bereich bei der taz oder der jungen Welt praktiziert werden und heute z. B. als „Plattform-Kooperativismus“ ausprobiert werden? Welche Potenziale und Probleme bieten andere Versuche, die Finanzierungskrise des Journalismus zu lösen (Crowdfunding, Stiftungsfinanzierter Journalismus, neue Abo- und Communitymodelle), die Auswirkungen auf die Eigentums- und Eigentümer*innenfrage haben?
  • Wie ist Eigentum und „Self-Ownership“ im Bereich des freischaffenden, prekär organisierten oder Startup-Journalismus (Stichwort „Entrepreneurial journalists“) oder anderer Formen der Herstellung von Öffentlichkeit zu analysieren und zu bewerten?
  • Wie entsteht Medieneigentum und welche Rolle spielt dabei die Ausbeutung oder Aneignung von verschiedenen Formen von Medienarbeit oder von (informationellen) Ressourcen? Welche funktionalen Äquivalente zum Eigentum (z. B. bestimmte Klassifizierungspraxen) sichern Ausschluss, Verfügung und Verwertung in der (digitalen) Medienökonomie?
  • Wie steht es um die Eigentumskonzentration in verschiedenen Medienmärkten (gattungsbezogen, regional, transnational), auch in Bezug auf Wissenschaftskommunikation? Welche Entwicklungen sind hinsichtlich horizontaler, vertikaler und diagonaler Medienkonzentration zu erkennen?
  • Wie ist die Transformation von Mediensystemen in Mittel- und Osteuropa seit 1989 in Hinblick auf Eigentumsordnungen, Besitzverhältnisse, Privatisierungsprozesse etc. abgelaufen? Welche deutschen, österreichischen und schweizerischen Medienkonzerne haben hier wie viel „Land genommen“? Welche kritischen Perspektiven auf diese Geschehnisse können entwickelt werden? Welche Lehren können daraus für zukünftige Transformationen von Mediensystemen gezogen werden?
  • Was kann aus den historischen Kämpfen um eine „New World Information and Communication Order“ gelernt werden und wie aktuell ist die Kritik an westlich dominierten Nachrichtenströmen durch einige wenige Nachrichtenagenturen, Medienimperialismus? Welche kolonialen Kontinuitäten zeigen sich heute?
  • Wie sind welche Formen des Medieneigentums (medien-)rechtlich reguliert, und welche Alternativen sind aus progressiver Perspektive denkbar? Ist die Enteignung von Medienmogulen eine sinnvolle Forderung? Welche Lehren können aus den historischen Kämpfen um das Medieneigentum („Enteignet Springer!“) gezogen werden?
  • Wie ist aus progressiver Perspektive das (geistige) Eigentum an Medieninhalten die politischen Kämpfe etwa um das Leistungsschutz- und Urheberrecht zu sehen?
  • Welche subjektivierenden Effekte hat das Eigentum an Medien(-technik)? Wie sind sie zu bewerten?
  • Welche medien- und kommunikationstheoretischen Perspektiven können auf Eigentum entwickelt werden, v.a. auf das dominierende Privateigentum, aber auch auf Alternativen (Staatseigentum, zivilgesellschaftlich-genossenschaftliches Eigentum, Mischformen)?
  • Im Eigentum verschränken sich unterschiedliche Formen der Ungleichheit (class, race, gender, ability, usw.): Welche intersektionalen Perspektiven auf Eigentum können für die Medien- und Kommunikationswissenschaft fruchtbar gemacht werden?
  • Kann tatsächlich von einer „Eigentumsvergessenheit“ der Kommunikations- und Medienwissenschaft gesprochen werden? Wie häufig und mit welchen theoretischen Ansätzen ist (Medien-)Eigentum im Fach thematisiert worden, und wie können die Ergebnisse fachgeschichtlich interpretiert werden?

Dies sind einige Vorschläge, viele weitere Fragestellungen sind möglich. Wir ermutigen, insbesondere auch Beiträge mit postkolonialer und/oder intersektionaler Perspektive sowie studentische oder aktivistische-praxisbezogene Beiträge (Bitte vermerken!) einzureichen.

Hinweise zur Einreichung
Willkommen sind Vorschläge für verschiedene Formate:

  • Tagungsvortrag (20 Minuten): Vorschlag einzureichen als Extended Abstract (4.000 bis 6.000 Zeichen plus ggf. Abbildungen oder Tabellen)
  • Panel (90 Minuten mit 3 Vorträgen/Impulsreferaten zum gleichen Oberthema, das aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert wird): Vorschlag einzureichen als Panelbeschreibung (2.000 bis 4.000 Zeichen) plus zu jedem vorgesehenen Vortrag ein Extended Abstract (4.000 bis 6.000 Zeichen plus ggf. Abbildungen oder Tabellen)
  • Workshop (Dialog zu Work in Progress mit etwa 10 Minuten Input und 20-30 Minuten Diskussion): Vorschlag einzureichen als Workshop-Beschreibung inkl. Begründung der Formatwahl (6.000 bis 8.000 Zeichen)
  • Panel-Diskussion oder Workshop mit Praktiker*innen, Aktivist*innen, Vertreter*innen von Medienorganisationen oder NGOs (90 Minuten): Vorschlag einzureichen als Panel- oder Workshop-Beschreibung (2.000-4.000 Zeichen)
  • Darüber hinaus sind wir für weitere Formate offen, die dem Gegenstand angemessen sind.

Wir bitten Sie, Ihren Vorschlag per Mail bis zum 15. Juli 2021 einzureichen. Bitte senden Sie Ihren Beitrag in elektronischer Form (*.doc, *.docx, *.rtf, kein PDF!) an info@krikowi.net. Annahmen bzw. Ablehnungen erfolgen Mitte September.

Eingereichte Beiträge dürfen in dieser Form nicht bereits in einer Verlagspublikation veröffentlicht sein. Soll eine empirische Studie vorgestellt werden, so muss aus dem Abstract klar hervorgehen, ob es sich a) um eigene Daten handelt und b) in welchem Stadium sich die Studie gegenwärtig befindet (in Planung, in der Durchführung, in der Auswertung, abgeschlossen). Die Abstracts sollen neben einer Inhaltsangabe des Vortrags den Bezug zum Tagungsthema sowie die Relevanz und Originalität der Fragestellung verdeutlichen. An diesen Aspekten werden sich auch die Reviewer*innen orientieren.

Die Vorschläge werden in einem offenen Peer-Review-Verfahren begutachtet. Fair Use Policy: Jede*r Einreichende*r wird automatisch in unseren Reviewer*innen-Pool aufgenommen und übernimmt mit der Einreichung die Verpflichtung, ggf. andere Einreichungen zu dieser Tagung zu begutachten. Die Tagungsleitung behält sich vor, auch die Gesamtkonzeption der Tagung bei der Auswahl der Beiträge zu berücksichtigen. Die Publikation von Tagungsbeiträgen in einem Special Issue einer Fachzeitschrift oder einem Tagungsband ist geplant.