Momentum Quarterly

/ 19. Juni 2023

Momentum Quarterly ist eine vierteljährlich erscheinende, begutachtete („peer review“)  Zeitschrift, die sich Fragen des sozialen Fortschritts auf interdisziplinärer Basis widmet. Untenstehend finden Sie die aktuelle Ausgabe von Momentum Quarterly. Alle hier vorgestellten Artikel werden Open-Access, d.h. frei zugänglich im Internet, veröffentlicht. Weitere Informationen finden Sie unter www.momentum-quarterly.org. Wir freuen uns stets über neu eingereichte Beiträge (siehe dazu die Richtlinien für Beitragseinreichung) und über Kommentare zu bestehenden Beiträgen. Sie erreichen uns unter editors@momentum-quarterly.org.


Gute Arbeit, gutes Leben: postpandemische Deprivationsgefährdungen in dominierten Klassenlagen

von Carina Altreiter

Der Beitrag argumentiert, dass die pandemiebedingte Gesundheits- und Wirtschaftskrise bestehende soziale Ungleichheit verschärft und es aufgrund dessen in den dominierten Klassenlagen zu einer erheblichen Deprivation kommt, Ansprüche an ein gutes Leben im Allgemeinen und gute Arbeit im Speziellen zu realisieren. Basierend auf einer Sekundäranalyse aktuell verfügbarer Forschungsergebnisse zur Covid-19-Pandemie in Österreich werden die Auswirkungen im Hinblick auf soziale Integration, Anerkennung sowie Arbeit und Leben diskutiert. Die überproportionale Betroffenheit der dominierten Klassen durch die negativen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Krise verschärfen bereits länger anhaltende Dynamiken erhöhter Vulnerabilität. Die multiplen Deprivationserfahrungen dieser Klassenlagen können jedoch in einer Gesellschaft der „Klassenvergessenheit“ nicht mehr angemessen adressiert werden.


Schlagworte: soziale Klasse; Covid-19-Pandemie; gute Arbeit; Anerkennung Arbeitsverhältnisse


Von „wieder Mitreden“ bis „zurück auf null“: Typen sozialer Teilhabe im Verlauf der Arbeitsmarktmaßnahme öffentlich geförderter Beschäftigung

von Philipp Langer

Dieser Beitrag befasst sich mit der Wirkungsweise des arbeitsmarktpolitischen Instrumentes der öffentlich geförderten Beschäftigung auf die soziale Teilhabe von langzeiterwerbslosen Personen. Arbeitsmarktpolitik in Deutschland formuliert zunehmend – über die Ziele der Arbeitsmarktintegration und Förderung von Beschäftigungsfähigkeit hinaus – das Anliegen, die Teilhabemöglichkeiten von erwerbslosen Personen zu fördern. Allerdings stellt soziale Teilhabe eine ambivalente wohlfahrtsstaatliche Zielsetzung dar, bei der zunächst offen bleibt, unter welchen Bedingungen sie sich durch arbeitsmarktpolitische Interventionen herstellen lässt. Auf Basis von qualitativen Interviews mit Personen in öffentlich geförderter Beschäftigung und im Rahmen einer qualitativen Längsschnittperspektive werden drei Typen sozialer Teilhabe im Verlauf einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme herausgearbeitet. Hierbei nimmt der Beitrag eine Capability-Perspektive ein und blickt damit auch darauf, inwiefern individuelle Handlungsmöglichkeiten durch die Teilnahme am Beschäftigungsprogramm erweitert werden.


Schlagworte: Arbeitsmarktpolitik; Langzeitarbeitslosigkeit; Jobgarantie; soziale Teilhabe


Die Auswirkung von Überstunden auf das Wohlbefinden und die gewünschten Arbeitszeiten von Büroangestellten: Die Rolle der zeitlichen Flexibilität

von Arabella Mühl, Martina Hartner-Tiefenthaler, Silvia Feuchtl

Basierend auf dem Job Demands-Resources Modell (Demerouti et al. 2001) gehen wir davon aus, dass längere Arbeitszeiten in Form von Mehrarbeit und Überstunden eine Arbeitsanforderung in der heutigen Arbeitswelt darstellen und sich negativ auf das Wohlbefinden von Arbeitnehmer*innen auswirken und mit dem Wunsch nach einer Arbeitszeitverkürzung einhergehen. Selbstbestimmte zeitliche Flexibilität hingegen wird als Arbeitsressource verstanden und wir nahmen an, dass diese Flexibilität die Beziehung zwischen längeren Arbeitszeiten und einer gewünschten Reduzierung der Arbeitszeit abschwächt. Die Analyse der Daten von 159 österreichischen Arbeitnehmer*innen, die angaben, ihre Arbeitszeit nicht erhöhen zu wollen, zeigte, dass Mehrarbeit und Überstunden negativ mit Gesundheit, Schlaf und Work-Life-Balance zusammenhängen. Die Beziehung zwischen längeren Arbeitszeiten und der gewünschten Reduzierung der tatsächlichen und vertraglichen Arbeitszeit war konvex. Selbstbestimmte zeitliche Flexibilität erwies sich als Puffer zwischen längeren Arbeitszeiten in Form von Mehrarbeit und Überstunden und gewünschter Reduzierung der tatsächlichen und vertraglichen Arbeitszeit. Das weist darauf hin, dass selbstbestimmte zeitliche Flexibilität eine Arbeitsressource darstellt und bei der Bewältigung von Arbeitsanforderungen unterstützt, jedoch nur, wenn diese nicht zu stark ausgeprägt sind.


Schlagworte: Mehrarbeit; Überstunden; Arbeitsbelastung; zeitliche Flexibilität; Arbeitszeitverkürzung


Wettbewerbsfähige Nachhaltigkeit: eine Historisch-Materialistische Analyse der Ideen, Institutionen und Machtverhältnisse in der europäischen grünen Transformation

von Laura Porak

Mit dem Europäischen Grünen Deal (2019) wird die grüne Transformation – und somit ‚wettbewerbsfähige Nachhaltigkeit‘ – der Fokus der politisch-ökonomischen Strategie der Europäischen Union. Im Zuge dessen werden bisher gefestigte Glaubenssätze über den Zusammenhang von Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand sowie bestehende europäische und globale ökonomische Strukturen infrage gestellt. Zugleich fokussieren sich Machtkämpfe zwischen den Mitgliedstaaten, Kapitalfraktionen und der europäischen Ebene auf den Transformationsprozess, um Partikularinteressen durchzusetzen. Der vorliegende Artikel macht es sich zur Aufgabe, im Kontext der grünen Transformation diskursive und institutionelle Verschiebungen in Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit bzw. den Weltmarkt und Verschiebungen der Machtverhältnisse in der EU zu analysieren. Die Analyse kommt zu zwei zentralen Schlüssen: Erstens bestehen auf Ebene der Ideen über Wettbewerbsfähigkeit und den Institutionen Kontinuitäten zu vorherigen europäischen politisch-ökonomischen Strategien. Zweitens wird der Transformationsprozess von einem komplexen Zusammenspiel von Ideen über wettbewerbsfähige Nachhaltigkeit und Interessenslagen geformt, die für eine selektive Umsetzung der Ideen in die politisch-ökonomische Strategie der EU sorgen.


Schlagworte: Europäischer Grüner Deal; Wettbewerbsfähigkeit; Kritische Policy-Analyse; organisierte ökonomische Interessen